Veränderungen des Vorhofteils

Im normalen EKG sind die P-Wellen monophasisch, dauern nicht länger als 100ms und besitzen - mit Ausnahme von aVR - positive Amplituden.
 
 

1. Veränderungen der P-Welle

a) P-sinistroatriale

- Dauer >100 ms (110 ms)
- doppelgipflig in I, II, V5, V6
- terminal negativ biphasisch rechtspräkordial
- doppelgipflig linkspräkordial (Amplitude initial < terminal)
Þ syn. P-mitrale, P-sinistrokardiale
Vorkommen: Mitralvitien, Aortenvitien, Kardiomyopathien



 



 

b) P-dextroatriale

- spitze Konfiguration mit Amplitudenerhöhung (>0.25 mV) in II, III, aVF
- terminal negativ biphasisch rechtspräkordial (Amplitude initial > terminal) Þ biphasischer Charakter häufig gar nicht zu erkennen!
Þ syn. P-pulmonale, P-dextrokardiale
Vorkommen: chron. Rechtsherzbelastung (Cor pulmonale), z.B. Trikuspidalvitien, pulmonale Hypertonie







c) P-biatriale

- Kombination aus P-sinistroatriale und P-dextroatriale
- P-Verbreiterung (I, aVL, V5, V6) + P-Überhöhung (II, III, avF)
- biphasisch in V1 (initial überhöht + spitz, terminal negativ + breit)
- doppelgipflig in V2 - V5, Amplitudenabnahme von V1 nach V6
Þ syn. P-kardiale
Vorkommen: rechtsdekompensiertes Mitral-/Aortenvitium, Hypertension mit Rechtsbelastung, Pericarditis constrictiva








d) fehlendes P

Vorkommen: Vorhofflattern/-flimmern, Kammertachykardie (s. Arrhythmien)
Sinuatrialer Block (SA-Block)

SA-Block 1. Grades
- P-Welle vorhanden
- Verlängerung der Überleitungszeit Sinusknoten Þ Vorhofmyokard
- im Oberflächen-EKG prinzipiell nicht nachweisbar

SA-Block 2. Grades Typ Wenckebach (=Mobitz I)
- sukzessive Verlängerung der Überleitungszeit Sinusknoten Þ Vorhofmyokard bis zum Ausbleiben der Überleitung
- Abnahme der PP-Dauer bis zum Ausfall des gesamten Komplexes
- Pause kleiner als doppelte PP-Dauer

SA-Block 2. Grades Typ Mobitz (=Mobitz II)
- plötzlicher Ausfall von Vorhof- und Kammerkomplexen
- PP-Abstand konstant
- konstantes Überleitungsverhältnis (z.B. 2:1 o. 3:1) entspricht einer scheinbaren Sinusbradykardie
- Pause ³ 2PP


SA-Block 2. Grades Typ Mobitz mit unterschiedlicher Überleitung (3:2 bis 6:5)



SA-Block 3. Grades
- Sinusknotenstillstand, unterschiedlich lange Pausen
- Ersatzrhythmen


SA-Block 3. Grades (Sinusarrest ca. 6 sec), anschließend Rückkehr zum Sinusrhythmus


SA-Block 3. Grades mit ventrikulärer Ersatzsystole, anschließend Rückkehr zum Sinusrhythmus



 
 
 

Anmerkung:
Bei einem Situs inversus finden sich negative P-Wellen in den Ableitungen in I und aVL.
(DD: Elektrodenvertauschung!!!!!!! Bei Hufgetrappel erst an Pferde, dann an Zebras denken!!!)









 
 

2. Veränderungen der PQ-Strecke

a) Verlängerung
 

Vorkommen: Vagotoniker, Sportler, KHK, Medikamente (Digitalis, Antiarrhythmika, ß -Blocker)


AV-Block 1. Grades
- Verlängerung der PQ-Strecke über 0.2s
- jede Vorhofaktion wird übergeleitet
oberer Grenzwert der PQ-Zeit:       (bei Überschreitung von "relativem AV-Block I. Grades" sprechen!)


AV-Block 1. Grades (PQ-Zeit 0,25s)
 

AV-Block 2. Grades Typ Mobitz (=Mobitz II)
- konstante Verlängerung der PQ-Zeit mit Ausfall von Kammeraktionen



 
 
 
 
 



 

b) Verkürzung  ("Präexzitation")
 

Vorkommen: Sinustachykardie, Kinder, WPW-Syndrom, LGL-Syndrom, AV-junktionaler Rhythmus


WPW-Zeichen im EKG (d-Welle + verkürzte PQ-Zeit)

WPW-Syndrom (Wolff-Parkinson-White-Syndrom)
- Verkürzung der PQ-Strecke durch vorzeitigen, trägen QRS-Anstieg (d -Welle)
- Präexzitation über akzessorisches Bündel (Kent-Bündel) zwischen Vorhof und Kammer
- QRS-Komplex verbreitert, mit sekundären Erregungsrückbildungsstörungen
- je schneller die Leitung über das akzessorische Bündel, desto

1. breiter der QRS-Komplex
2. stärker die Erregungsrückbildungsstörungen
3. größer die Ähnlichkeit mit einer ventrikulären Extrasystole
4. höher die Gefahr bei Vorhofflimmern (antidrome AV-junktionale Tachykardien mit Frequenzen >200/min, evtl. sogar Kammerflimmern)



LGL-Syndrom (Lown-Ganong-Levine-Syndrom)
- Verkürzung der PQ-Strecke unter 0.12s
- keine Veränderung des QRS-Komplexes bzw. der Kammerendstrecke
- mehrere Hypothesen:
      -- zwei unterschiedlich schnell leitende Fasern des AV-Knotens (1. langsame Leitung + kurze Refraktärzeit,
         2. schnelle Leitung + lange Refraktärzeit)  Þ  Längsdissoziation des AV-Knotens
      -- fehlende Verzögerung im AV-Knoten (keine akzessorischen Bündel)
      -- vorzeitige Überleitung durch James-Bündel ("AV-Knoten-Bypass")
 



c) wechselnd

Vorkommen: AV-Block 2. Grades Typ Wenckebach, AV-Dissoziation, intermittierende Präexzitation, respiratorische Sinusarrhythmie, wechselnder atrialer Erregungsursprung ("wandernder Schrittmacher")
 
 

AV-Block 2. Grades Typ Wenckebach (=Mobitz I)
- zunehmende Verlängerung der PQ-Strecke bis zum Ausfall einer Kammergruppe




AV-Dissoziation:
völlige Trennung zwischen Vorhof- und Kammeraktion
 

1. Einfache AV-Dissoziation
- Sinusbradykardie mit konkurrierendem AV- oder Kammerrhythmus
- Sinusfrequenz < AV-Frequenz bzw. Vorhoffrequenz < Kammerfrequenz
- langsameres Schrittmacherzentrum übernimmt die Funktion
- P-Wellen wandern durch die QRS-Komplexe, einzelne Sinusaktionen werden jedoch von Zeit zu Zeit übergeleitet (daher keine "komplette" AV-Dissoziation)
- bei Erhöhung der Sinusfrequenz Rückkehr zum Sinusrhythmus
- meist bei Vagotonie, daher harmlos

einfache AV-Dissoziation, jedes mit X gekennzeichnete P ist übergeleitet (Sinusfrequenz 105/min, AV-Frequenz 85/min)


je ähnlicher die Sinus- und AV-Frequenz, desto seltener die Überleitung des Sinusreizes (Sinusfrequenz 96/min, AV-Frequenz 85/min)

 
2. Komplette AV-Dissoziation
- Auftreten bei gleicher Frequenz von Sinus- und AV-Knoten
- Nebeneinander von Vorhof- und Kammeraktionen, ohne daß eine P-Welle auf die Kammer übergeleitet wird
- P-Welle in nahezu konstantem Abstand vor oder hinter dem QRS-Komplex
- bei Steigerung der Sinusfrequenz Rückkehr zum Sinusrhythmus
- diese seltene Rhythmusstörung tritt nahezu ausschließlich bei Herzerkrankungen auf

3. Totaler AV-Block (AV-Block 3. Grades)
- totale Blockierung der Erregungsleitung vom Vorhof zur Kammer
- Vorhof: Sinusknotenrhythmus (60-80/min)
- Ventrikel: AV-Knoten-Ersatzrhythmus (40-60/min, normale QRS-Konfiguration) oder
Kammerersatzrhythmus (20-40/min, Links-/Rechtsschenkelblockbild)