Kurze Geschichte zur Entschlüsselung der
Hieroglyphen
Eigenschaften der Hieroglyphen
Eigenschaften der Schrift
Eigenschaften der geschriebenen Sprache
Kurze Geschichte zur Entschlüsselung der Hieroglyphen |
Das Wort "Hieroglyphen" wird aus den griechischen Wörtern
hieros = "heilig" und glyphein = "in Stein eingraben, einschneiden" gebildet
und läßt sich sinngemäß mit "Heilige Einmeißelungen"
übersetzen.
Mit Einführung des Christentums von 100 v.u.Z. bis
100 u.Z. wurde auch die griechische Schrift nach Ägypten gebracht.
Diese wurde mit der demotischen Schrift (eine abgewandelte, stilisierte
und vereinfachte "Volksschrift" der Hieroglyphen) zur sog. koptischen Schrift
verbunden, so daß die Hieroglyphen einfach überflüssig
wurden. 300 Jahre später gab es kaum noch jemanden, der die Hieroglyphenschrift
lesen konnte, später niemanden mehr. Die letzten Hieroglyphen fand
man im Philae-Tempel von Assuan; sie wurden auf das Jahr 394 u.Z. datiert.
Danach waren Hieroglyphen fast 1500 Jahre lang nicht mehr verständlich.
Im Jahre 1799 entdeckte ein französischer Leutnant
im Fort Raschid im westlichen Nildelta eine 114x76cm große Schieferplatte,
auf der eine Lobpreisung für Ptolemäus V. (196 v.u.Z.) in 3 verschiedenen
Schriftsystemen (hieroglyphisch, demotisch, griechisch) eingraviert war.
Es handelt sich um den berühmten "Stein von Rosette", der schließlich
der Schlüssel zur Entzifferung der Hieroglyphen wurde.
Dem 1790 geborenen Jean François Champollion gelang
dieses Kunststück. Mit 16 Jahren schrieb er sein erstes Buch "Ägypten
unter den Pharaonen" und wurde Mitglied der Pariser Akademie. Mit 19 Jahren
ging er als Professor für Geschichte nach Grenoble. Er war derjenige,
der verstand, daß es sich bei den Hieroglyphen um keine reine Bilderschrift,
sondern eine Kombination aus Konsonanten, Lautzeichen und Sinnzeichen handelt.
Über die Erkenntnis, daß in den Kartuschen Königsnamen
eingeschrieben sind, gelang es ihm, aus den Namen "Ptolemäus" (grch.:
"PTOLEMAI") und "Kleopatra" die ersten Zeichen
zu entschlüsseln. Von da an nahm die Zahl der decodierten Zeichen
ständig zu, so daß sie sich heutzutage auch dem ägyptologischen
Laien mit ein wenig Initiative und Begeisterung schnell erschließen
können.
Eigenschaften der Hieroglyphen |
Wie bereits erwähnt, ist die Hieroglyphenschrift keine Bilderschrift, in der alle Zeichen das bedeuten, was sie darstellen. Dafür wäre der Umfang von ca. 700 Hieroglyphen, die bis zum Ende des Neuen Reiches (ca. 1100 v.u.Z.) verwendet wurden, für eine Sprache viel zu gering. Für ein Buchstabenalphabet sind es wiederum zu viele Zeichen. Also muß die "Wahrheit" irgendwo in der Mitte liegen.
Was können Hieroglyphen nun darstellen:
1. Logogramme/Ideogramme:
Dies sind Sinnzeichen, bei denen Bild und Bedeutung übereinstimmen.
Sie stehen also für komplette Wörter und Begriffe. Häufig
sind Ideogramme durch einen kleinen senkrechten Strich gekennzeichnet.
Meistens fehlt er jedoch.
Ausnahme: Der Ideogramm-Strich kann auch
als "Füllstrich" benutzt werden, wenn sich ein freier Platz in der
Hieroglyphenanordnung einfach nicht vermeiden läßt. Er besitzt
dann lediglich graphische Funktion!
2. Phonogramme/Lautzeichen: Hierbei handelt es sich um Ein- und Mehrkonsonantenzeichen, die als Buchstaben- oder Silbenkombinationen im Text vorkommen. Sie machen den Großteil der Hieroglyphen aus.
3. Determinative: Dies sind Deutzeichen, die nicht
übersetzt werden, sondern "lediglich" das Verständnis des Kontextes
erleichtern oder in eine bestimmte Richtung lenken. Bei Begriffen, die
aus den gleichen Hieroglyphen aufgebaut sind, ermöglichen sie die
Sinnzuordnung.
Zum Beispiel kann die Zeichenkombination (gesprochen: "wen" oder "un") mehrere Bedeutungen wie "öffnen", "eilen" oder "Licht" haben, was erst durch die entsprechenden Determinative (Tür), (laufende Beine) oder (Sonne mit Strahlen) eindeutig verständlich wird. |
Zur Darstellung der Hieroglyphen bedient man sich der
"Umschrift". Sie ist einen Konvention und ermöglicht die rationelle
Darstellung mit Hilfe des lateinischen Alphabets. Die Umschrift ist in
diesem Heft bei jeder neuen Hieroglyphe mit der entsprechenden Aussprache
verzeichnet (s. Kapitel "Einkonsonanten-Alphabet")
Eigenschaften der Schrift |
Die ägyptische Schrift besitzt keine eindeutigen
orthographischen Regeln. Richtig geschrieben ist, was gut aussieht.
Welcher Schüler hätte sich das in der Schule nicht gewünscht.
Aber was sieht nun gut aus?
Ägyptische Hieroglyphen werden meist in Zeilen oder
Kolumnen (= Säulen, Spalten) geschrieben, und
zwar so, daß sich einzelne Zeichen zu Quadraten oder Rechtecken OHNE
große Leerräume anordnen lassen. Das klingt einfach, läßt
sich aber häufig nur mit verschiedenen "Tricks" bewerkstelligen. Zu
diesen Tricks gehören:
1. Komplikation oder Simplifikation (Ausdehnung oder Verkürzung): Mehrkonsonantenzeichen lassen sich durch mehrere Ein- oder Zweikonsonantenzeichen ersetzen, was einen größeren Spielraum in der Raumnutzung ermöglicht. Natürlich ist auch das Gegenteil möglich, wenn z.B. Platzmangel herrscht. Ebenso können besonders Endungen der Verben oder des Plurals sowie Possessivpronomen einfach weggelassen werden, die anschließend aus dem Kontext wieder hinzugefügt werden müssen.
2. Redundanz (Zeichenersatz): Es gibt viele Zeichen unterschiedlicher Geometrie mit dem selben Lautwert, die problemlos untereinander ausgetauscht werden können.
3. Komplementation (Zeichenergänzung): Drei- oder Vierkonsonantenzeichen können durch Ein- oder Zweikonsonantenzeichen, die Anteil an ihrer Bildung haben, ergänzt werden. Diese Zusatzzeichen dienen der Erleichterung der Aussprache, ermöglichen die Sinnzuordnung bei Redundanz oder können Leerräume in der Schrift ausfüllen.
4. Umordnung, Größenveränderung: Hohe,
schlanke oder kleine, flache Zeichen lassen sich um 90° drehen, wenn
es die Platzsituation erfordert. Auch läßt sich der Leerraum
innerhalb eines Zeichens mit einem anderen auffüllen, wobei das Füllzeichen
unter Umständen zu diesem Zweck verkleinert werden muß.
Ein typisches Beispiel für alle genannten
"Tricks" ist der Ausdruck "maa-cheru" (="von wahrer Stimme", meist jedoch
übersetzt als "gerechtfertigt"), wie er in Grabinschriften nach fast
jedem Namen auftaucht und den es daher in den unterschiedlichsten Varianten
gibt.
Die kürzeste Fassung lautet 'mAa-xrw' ("maa-cheru"), wobei der Statuensockel als 'mAa' ("maa") und das Ruder als 'xrw' ("cheru") gesprochen wird. Die Symbole lassen sich auch sehr gut senkrecht anordnen. Weitere Varianten: '[mA]-mAa-[a]-xrw', 'mAa-[mA]-xrw', 'mAa-[a]-xrw' oder 'mAa-xrw-[w]'. Die ausführlichste Schreibweise: ('mAa-[mA]-[a]-[x]-[r]-xrw-[w]'); hier sind als Komplemente eine Sichel '[mA]', ein Arm '[a]', eine Plazenta '[x]', ein Mund '[r]' und ein Wachtelküken '[w]' hinzugefügt worden, die zwar nicht zusätzlich gesprochen, jedoch in der Umschrift durch eckige Klammer gekennzeichnet werden. Der verkleinert abgebildete Sockel 'mAa' füllt den Freiraum der Sichel 'mA' auf, das Ruder 'xrw' ist senkrecht gestellt. Somit bildet dieser Ausdruck ein ästhetisches Gesamtbild aus drei Quadraten . Auch diese ausführliche Schreibweise läßt sich noch erweitern, und zwar durch ein Determinativ. Das Deutzeichen (kniender Mann mit Hand am Mund) steht für alle Handlungen und Zustände, die mit dem Mund zu tun haben, z.B. Sprechen oder Essen. 'mAa-[mA]-[a]-[x]-[r]-xrw-[w]' |
Was zu Anfang besonders kompliziert erscheint, stellt
sich bei längerer Beschäftigung mit der Hieroglyphenschrift als
Segen heraus. Nach einiger Zeit bzw. mehreren Texten werden Sie sich an
die Komplementzeichen gewöhnt haben und dann selbständig feststellen
können, ob ein Zeichen bereits durch ein voriges oder nachfolgendes
"abgedeckt" wurde bzw. wo Wörter beginnen oder enden.
Achten Sie einfach mal darauf!
In welcher Reihenfolge liest man nun die Hieroglyphen?
Dazu gibt es eine einfache Regel: Erst waagerecht,
dann nach unten.
Ob man nun von rechts nach links oder von links nach
rechts liest, hängt von der Anordnung der Zeichen ab. Es gibt sowohl
Hieroglyphen, die symmetrisch oder auch asymmetrisch aufgebaut sind. Anhand
der asymmetrischen läßt sich dann die Leserichtung bestimmen.
Am einfachsten merkt sich: Die Tiere oder Gesichter schauen zum Zeilenanfang!
Blicken sie also nach links, wird von links nach rechts gelesen, und umgekehrt.
Stehen bei waagerechter Anordung Zeichen untereinander, so wird zuerst
von oben nach unten gelesen und erst dann weiter in horizontaler Richtung.
Anmerkung: Alle hier aufgeführten Hieroglyphen
werden von links nach rechts gelesen, sofern es nicht anders angegeben
ist.
Keine Regel ohne Ausnahme: Aus Platzgründen
können Hieroglyphen derart umgestellt werden, daß die o.g. Regeln
zur Reihenfolge nicht mehr zutreffen (sog. "graphische" oder "hierarchische
Umstellung"). Solche Ausnahmen sind aber relativ selten.
Beispiel:
Diese Inschrift liest man von links nach rechts, also
in der bei uns üblichen Richtung.
Htp-dj-nsw jnpw dj xntj-sH-nTr
jmj-wt tpj-Dw=f nb-tA-Dsr orst=f m Xrt-nTr jmnt
Ein Opfer, das der König gibt an Anubis, den Ersten der Heiligen
Kammer, der am Ort der Einbalsamierung ist, der auf seinem Berg ist, den
Herrn des Heiligen Landes, (damit er geben möge) ein sein Begräbnis
in der Nekropole des Westens.
Diese Inschrift wird von rechts nach links gelesen, in
der für die Ägypter typischen (Schreib-) Richtung.
jrj-pat HAtj-a smr-watj
Xrj-Hb Hrj-sStA n pr-dwAt jmj-rA-pr Xrj-tp-nsw jmj-rA Hwt-wrt-sjs
Erbprinz, Gaufürst, einziger Gefährte, Vorlesepriester, Geheimrat
des Morgenhauses, Hausverwalter, Unterbeamter des Königs und Vorsteher
der 6 Gerichtshöfe
Eigenschaften der geschriebenen Sprache |
Die ägyptische Schrift ist eine Konsonantensprache, d.h. sie kommt ohne Vokale aus. Das wird dadurch ermöglicht, daß jeder Mensch zunächst Sprechen und erst dann Schreiben lernt.
Es dürfte Ihnen kaum Probleme bereiten, den folgenden
Beispielsatz zu lesen und die entsprechenden Vokale einzufügen.
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Jemand, der die deutsche Sprache nicht beherrscht, kann über die tatsächliche Aussprache nur Mutmaßungen anstellen. Und auch für den Muttersprachler läßt sich einiges nur aus dem Sinnzusammenhang erschließen. Denn besonders bei Wörtern wie "lieben", "loben" oder "laben" ergäbe sich in der Konsonantenschrift "lbn" kein Unterschied mehr.
Ebenso geht es den Ägyptologen, so daß sie
sich auf einen wissenschaftlichen Konsens geeinigt haben:
1. Zwischen zwei Konsonanten wird ein "e" gesprochen. 2. Die Halbkonsonanten bzw. Vokalansatzlaute 'A' und 'a' werden wie "a" gesprochen. 3. 'i' und 'i' werden wie "i" gesprochen ( am Wortanfang häufig auch als "a") 4. 'w' und 'w' werden wie "u" gesprochen. |