Das Ägyptische Museum in Kairo


Das Ägyptische Museum am östlichen Nilufer Kairos wurde 1857 von August Mariette gegründet und umfaßt heute etwa 150000 Ausstellungsstücke aus 4500 Jahren ägyptischer Geschichte. Zwar ist nur ein kleiner Teil den Besucher überhaupt zugänglich, jedoch reicht die während einer Ägyptenreise zur Verfügung stehende Zeit bei weitem nicht aus, um überhaupt einen Einblick, geschweige denn Überblick über die Exponate zu gewinnen. Dem Unkundigen dürfte es sogar schwer fallen bzw. unmöglich sein, die Vielfalt und Entwicklung der Architektur und Kunst zu erfassen und einzuordnen.

Im Eingangsbereich, der zunächst etwas chaotisch erscheint, sollte sich der Besucher unbedingt folgenden drei Exponaten widmen, ...
 
... der Narmer-Palette, ...
..., der Statue des Djoser ...
... und einer Statue Ramses II.

Die Sieges- oder Schminkpalette des Pharaos Narmer stammt aus der vordynastischen Zeit, der sog. 0. Dynastie, und muß etwa um das Jahr 3100 v.u.Z. datiert werden. Sie zeigt Narmer, einen vermutlich unterägyptischen Herrscher, mit den typischen Königsinsignien (Lendenschurz mit Löwenschwanz, Krone und Zeremonialkeule) nach der Vereinigung der beiden Länder, Ober- und Unterägypten.

Auf der einen Seite sieht man den König mit der weißen Krone Oberägyptens, wie er einen Feind erschlägt. (Diese Form der Darstellung wird sich übrigens bis in die griechisch-römische Zeit, also über einen Zeitraum von mehr als 3000 Jahren, nahezu unverändert bewahren.) Zwischen den beiden Kuhköpfen findet man den Namen des Pharaos im sog. Serech, einer Art Palastfassade. Sein Name besteht aus den Hieroglyphen 'Nar' für Wels und 'Mer' für Meißel. Hinter dem König läuft der mit Wasserkrug und Sandalen "bewaffnete" Sandalenträger, ein geachteter Beamter am Hof, der dem Pharao die Füße waschen und ihn somit berühren durfte.

Auf der anderen Seite sieht man Narmer (sein Name steht vor seinem Gesicht) mit der roten Krone Unterägyptens während seines Triumphzuges. Vor dem Pharao läuft der Wesir, davor (noch kleiner dargestellt) vier Wappenträger mit Gau-Symbolen, die möglicherweise die vier Himmelsrichtungen oder die Grenzen des Reiches darstellen. Rechts sind getötete Feinde dargestellt, mit den Köpfen zwischen ihren Füßen. Hinter dem König wiederum der Sandalenträger.
Darunter sieht man zwei Ungeheuer mit umschlungenen Hälsen. Sie demonstrieren die Vereinigung der beiden Teile Ägyptens und gleichzeitig den Kampf zwischen beiden Ländern. Ganz unten findet man noch eine Darstellung des Königs in Gestalt eines Stiers, wie er einen Feind besiegt, um die Stadt Inebu-Hedj ("Die weißen Mauern"), später Memphis genannt, zu schützen.
 
 


Die berühmte bemalte Kalksteinfigur des Pharaos Djoser (oder: Hor Netjerchet) wurde 1924 in einer kleinen unzugänglichen Kapelle an der Nordseite der Pyramide von Sakkara entdeckt. Sie ist die älteste bekannte lebensgroße Statue eines ägyptischen Herrschers. Sie zeigt ihn im Sedfest-Mantel und mit einer mächtigen Perücke, über der das Königskopftuch (nemes) liegt. (Anm.: Das Sed-Fest oder Heb-Sed wurde seit frühester Zeit zur Erneuerung des physischen und magischen Kräfte des Königs in tagelangen Ritualen gefeiert. Anfangs fanden sie erstmals zum 30jährigen Thronjubiläum statt, in späterer Zeit bereits eher.)
Djoser war nicht nur der bedeutendste König der 3. Dynastie (um 2700 v.u.Z.), sondern auch der Erbauer der ersten Pyramide, der großen Stufenpyramide von Sakkara.

Die oben erwähnte Statue Ramses II. ist eine der besterhaltensten dieses großen Pharaos. Sie zeigt den Herrscher jung und kräftig mit den Zeichen des Lebens: vorgesetzter linker Fuß, die Arme neben dem Körper, der gerade Königsbart und das Nemes-Kopftuch mit dem Uräusdiadem. Die Stempel in beiden Händen lassen das Muskelrelief der Arme deutlich hervortreten, die Doppelkrone weist ihn als Herrn der Beiden Länder aus.
Leider zeigt die Statue auch, was Touristenhände den uralten Monumenten trotz diverser "Please Do Not Touch"-Schilder antun (können). Der Sockel, die Füße und Schienbeine sind geschwärzt und speckig glänzend. Dieses Standbild besteht aus Granit; man stelle sich daher vor, wie eine bemalte Kalkstein- oder Stuckverzierung (z.B. die Reliefs in den Königsgräbern von Theben-West) unter derartigen Angriffen zu leiden hat.

Folgt man der Ausstellung des Erdgeschosses, so vollzieht man einen Rundgang durch die ägyptische Geschichte, beginnend mit dem Alten Reich bis hin zur griechisch-römischen Zeit.

Noch einmal zur Erinnerung:

Späte Vorgeschichte
um 3000 v.u.Z.
Frühzeit (1.-3. Dyn.)
ca. 3030 - 2640 v.u.Z.
Altes Reich (4.-8. Dyn.)
ca. 2640 - 2170 v.u.Z.
I. Zwischenzeit (9./10. Dyn.)
ca. 2170 - 2020 v.u.Z.
Mittlere Reich (11.-14. Dyn.)
ca. 2120 - 1795 v.u.Z.
II. Zwischenzeit (15.-17. Dyn.)
ca. 1650 - 1550 v.u.Z.
Neues Reich (18.-20. Dyn.)
ca. 1550 - 1070 v.u.Z.
III. Zwischenzeit (21.-24. Dyn.)
1070 - 715 v.u.Z.
Spätzeit (25.-31. Dyn.)
746 - 336 v.u.Z.
Makedonische Zeit
335 - 304 v.u.Z.
Ptolemäische Zeit
304 - 30 v.u.Z.
Römische Zeit
30 v.u.Z. - ca. 300 u.Z.

Während sich die meisten Skulpturen doch sehr ähneln und kaum Veränderungen
über die Jahrhunderte zu erkennen sind, sollte man die Aufmerksamkeit doch
auf einige ungewöhnlichere Stücke lenken.
 


Als Besonderheit muß diese Statue der 3. Dynastie gelten.
Sie ist das einzige bekannte Standbild, dessen rechter Fuß nach vorn gestellt ist.
Ein Grund dafür ist nicht bekannt.


Mit ein wenig Pech läßt man sich von der Schönheit und Imposanz der anderen Ausstellungsstücke blenden und läuft an dieser Berühmtheit vorbei, zumal sie einen
unscheinbaren Platz in einer wenig beleuchteten Ecke des Ausstellungsraumes einnimmt.
Dieses kleine, nur 7.5 cm hohe Elfenbein-Skulptürchen ist das einzige
sicher identifizierte Abbild des Pharaos Chufu (=Cheops),
dem Erbauer der Großen Pyramide von Giseh.


Im Nebenraum der Cheops-Statue findet sich das bestens erhaltene Doppelstandbild des Prinzen, Wesirs, Hohepriesters und Generals Rahotep und seiner Frau Nofret.
Diese Statuen der 4. Dynastie bestehen aus Kalkstein und sind in der Originalbemalung erhalten.
Besonders auffällig sind die unterschiedliche Hautfarbe (schon damals galt eine vornehme Blässe bei Frauen als Schönheitsideal), die in die Ferne blickenden, mit Quarz eingelegten Augen und der Oberlippenbart, eine Rarität bei königlichen Darstellungen.


Chaefre, der Sohn Chufus und Erbauer der zweiten Pyramide von Giseh, ist in dieser aus einem Stück gefertigten Dioritmarmor-Statue als lebender König dargestellt. Alle Feinheiten des Gesichtes, des Muskelreliefs und der Kleidung sind meisterhaft und subtil gearbeitet.
Der den Kopf des Pharaos stützende Horus-Falke wird zudem erst in der Seitenansicht deutlich. Mögliche Interpretation: Die Unterstützung des Königs durch die Götter ist allgegenwärtig, wenn auch nicht immer sofort erkennbar.
 


Diese Statue aus dem Mittleren Reich (11. Dynastie) zeigt Mentuhotep II.
Der Pharao ist in Form dieser Skulptur rituell bestattet worden. Die schwarze Hautfarbe des Totenreiches, der nach vorn gebogene Königsbart und die charakteristische Osiris-Haltung der Arme sind dafür typische Zeichen. Der König trägt seinen weißen Heb-Sed-Mantel und die rote Krone Unterägyptens.
Besonders imposant sind jedoch die überdimensionalen Unterschenkel und Füße. Da auch andere Standbilder Mentuhoteps II. (z.B. im Metropolitan Museum of Art, New York) diese Eigenart zeigen, könnte es sich um eine kurze Epoche der Bildhauerkunst handeln, sie erinnert aber auch an eine Krankheit namens Elephantiasis, einer Erkrankung des Lymphsystems, die mit einer chronischen Stauung und Schwellung im Gewebe einhergeht und u.a. von Parasiten (z.B. Fadenwürmer) ausgelöst werden kann.


Dieser Sphinx mit der düster blickenden Mimik ist eine plastische Darstellung Amenemhets III. Die Statue wurde allerdings mehrfach durch Anbringen neuer Namenskartuschen usurpiert, d.h. unrechtmäßig angeeignet, u.a. durch Ramses II., Merenptah und Psusennes I. Die Ausstrahlung und die charakteristischen Gesichtszüge der Skulptur sind aber so typisch, daß sie sicher dem Pharao der 12. Dynastie (ca. 1820 v.u.Z.) zuzuschreiben ist.
Im rechten Bild ist das Pyramidion (=Schlußstein) bzw. der sog. Benben der Pyramide Amenemhets III. in Dahschur dargestellt. Auf dem Monolithen aus Granit sind die Augen des Königs unter den Flügeln der Schutzgöttin Nechbet und über dem Zeichen für Schönheit eingemeißelt. Die Augen waren nach Süden ausgerichtet und konnten somit die Fahrt des Sonnengottes über den Taghimmel verfolgen.


Bemalte Sandsteinkapelle des Königs Tuthmosis III. (Hintergrund)
König Amenhotep II. unter der Hathor-Kuh


 

Die Statuengruppe von Amenhotep II. und seiner Frau zeigt eine weitere Besonderheit. Es sind nur wenige derartige Skulpturen bekannt, die die Frau in der gleichen Größe darstellen wie den Pharao und Gottkönig selbst. Typischerweise stehen die Verwandte des Königs deutlich verkleinert seitens oder zwischen den Beinen, wie hier seine Tochter.
Ein weiteres derartiges Beispiel ist die Alabaster-Skulptur von Tut-Anch-Amun und seiner Frau Anch-Sen-Amun im Luxor-Tempel.


Zwei Statuen eines der berühmtesten Pharaonen, den "Ketzerkönig" Echnaton (Amenhotep IV.)
Sie zeigen den Pharao mit seinem einzigartigen und unverwechselbaren Habitus. Verschiedene Krankheiten (Marfan-Syndrom, Fröhlich-Syndron, Akromegalie, Akrocephalie) wurden für seine Erscheinung verantwortlich gemacht. Jedoch sind außer Echnaton auf den bekannten Darstellungen auch seine Frau und seine Kinder mit diesem Körperproportionen dargestellt, so daß man am ehesten an eine Kunstrichtung während der Amarna-Periode denken muß.

Ausstellungsstücke der Schatzkammer

Neben dem Grabschatz Tut-Anch-Amuns bietet die Schatzkammer des Ägyptischen Museums Ausstellungsstücke aus allen Dynastien. Bei der überwiegenden Mehrzahl der Exponate handelt es sich um Schmuck, aber einige Gegenstände erregen besondere Aufmerksamkeit:


Goldene Totenmaske eines mumifizierten Falken
5. Dynastie


Goldbeschlag des Holzsarkophags (leider nicht erhalten) und
die goldene Totenmaske des Pharaos Amenemope
(21. Dynastie, um 985 v.u.Z.)


Cartonnage des Pharaos Scheschonq II. in Falkengestalt (22. Dynastie, um 875 v.u.Z.)
Hauptsächlich die Goldbeschläge sind erhalten; die Cartonnage ist stark restauriert.


Der Silbersarg Psusennes´ I. (21. Dynastie, um 994 v.u.Z.)
Dieser Sarg fand in der Schatzkammer des Museums seinen Platz leider in einer unbeleuchteten,
dunklen Ecke. Nur etwas Licht von der Tür fiel auf das Ausstellungsstück, so daß selbst das Auge Schwierigkeiten hatte, Einzelheiten wie das Beschriftungsfeld zu erkennen. Die Lichtsammelfähigkeit des Films ausnutzend und leicht aufgestützt auf die Vitrine gelang mir mit 6 Sekunden Belichtungszeit dieses Foto.

Dafür muß ich dann anschließend wohl an der berühmten goldenen Totenmaske
dieses Pharaos vorbeigelaufen sein!

Denn wie schon beim letzten Mal war die im Museum zur Verfügung stehende Zeit
VIEL ZU KURZ!!!